KI auf dem Vormarsch

Der Vormarsch der künstlichen Intelligenz (KI) ist scheinbar unaufhaltsam. Es vergeht kaum ein Tag, ohne dass man von neuen Einsatzfeldern in diesem Bereich erfährt. Dies löst auch bei Mitarbeitenden im Bankgeschäft teils diffuse Ängste aus. Einige fühlen sich durch die neue Technologie gar bedroht – der eigene Arbeitsplatz scheint gefährdet.

Diese Vorbehalte gegenüber neuer Technologie sind nicht ungewöhnlich. Auch daher lohnt sich ein aus unserer Sicht tieferer Blick auf die Möglichkeiten der KI. Grundsätzlich betrachtet ist die KI ein Werkzeug für Geistesarbeiter. In der Hinsicht ist sie in ihrem heutigen Entwicklungsstand in etwa das, was ein Gabelstapler für Lageristen ist: ein Hilfsmittel, um die eigene Leistung zu skalieren. Dies aber, ohne die Steuer- und Kontrollfunktion aus der Hand zu geben.

Diese Skalierung der Leistung wird umso wichtiger, desto teurer die Arbeitskraft ist, die durch Technik multipliziert werden soll. Diese Überlegung führt uns im Privatkundengeschäft der Banken direkt in das sogenannte Wealth Management (WM) – der Beratung sehr vermögender Privatkunden. In diesem Bereich arbeiten absolute Spezialist:innen, sechsstellige Gehälter sind an der Tagesordnung. In der Konsequenz sind Personalkosten der wesentliche Aufwandstreiber im Geschäftsmodell.

Folglich sind Wealth-Management-Anbieter schon seit geraumer Zeit bestrebt, die sogenannte Kunden-/Beraterrelation – also die Anzahl der Kunden, die von einem Berater betreut werden – auszubauen. Neben klassischer Prozessoptimierung – etwa durch die (Teil-)Automatisierung häufig vorkommender Abläufe – rückt nun auch der Einsatz der KI in den Fokus.

Dabei verfolgt bislang kaum ein Anbieter das Ziel, Kundenberater durch KI-Chatbots oder ähnliches zu ersetzen. Zum einen ist die Technik noch lange nicht so weit, dass dies (rechtssicher!) gelingen könnte, zum anderen ist gerade die persönliche Begleitung durch hochqualifizierte und empathische Berater ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal im Wealth Management. Ob „trusted advisor“ oder „coach“; Mitarbeitende sind ein wesentlicher Vertrauensanker und Motivator. Eigenschaften, über welche die KI bislang nicht verfügt.

Einsatz von KI im Wealth Management

Der Einsatz der KI findet damit zumeist dort statt, wo die Grenzen der einfachen Automatisierung erreicht sind. Sie haben das Ziel, den Berater von wenig wertschaffenden Aktivitäten zu entlasten. Typische Anwendungsfälle sind:

Recherche

Gerade internationale WM-Anbieter müssen durch einen veritablen Dschungel aus Vorschriften, Formularen und Kontrollen navigieren. Die Komplexität steigt dabei in cross-border-Situationen (also der länderübergreifenden Beratung) nochmals an. Um solche Konstellationen einfacher handhabbar zu machen, können die benötigten Regelwerke und Dokumente über KI-Chatbots verfügbar gemacht werden. Nach dem Training mit den relevanten Informationen kann die Applikation einfach auf Fragen wie „was brauche ich, um eine private investment company aus Paraguay onzuboarden?“ in natürlicher Sprache antworten und direkt die entsprechenden Unterlagen mitliefern.

Solche Ansätze können durch Schnittstellen in das CRM erweitert werden. Damit werden Fragen nach individuellen Kundenkonstellationen wie „welches Formular brauche ich, um bei der Kundin Meyer einen Vollmachtnehmer hinzuzufügen?“ einfach möglich.

Kundengespräche

Die KI kann eingesetzt werden, um die Qualität von Kundengesprächen zu erhöhen und gleichzeitig die Dauer von Vor- und Nachbereitung zu reduzieren. So kann nach entsprechender Einwilligung des Kunden die KI ein Telefonat mitverfolgen und im laufenden Gespräch dem Berater direkt zweckdienliche Hinweise geben. Beispiel: Das Gespräch kommt auf Lombard-Kredite und die Software blendet direkt Links auf die entsprechende Produkt- und Konditionsseiten im hauseigenen Intranet ein.

Andere Anbieter ermöglichen es, Gesprächsinhalte vorzudefinieren. Damit erscheinen zum Start des Telefonats entsprechende Stichworte auf dem Bildschirm des Beraters. Wenn die Themen adressiert werden, markiert die KI sie direkt als erledigt. Eine Schnittstelle in das Kernbanksystem kann auch hier dafür sorgen, dass bei einem Gespräch alle offenen Punkte – zum Beispiel fehlende oder abgelaufene Dokumente – angesprochen werden.

In beiden Beispielen erlaubt es die KI-Unterstützung dem Berater, sich voll auf das Gespräch zu fokussieren. Hantieren mit schriftlichen Notizen etc. ist nicht notwendig – dies steigert die Aufmerksamkeit und damit die Gesprächsqualität.

Im Anschluss an das Gespräch fasst die KI das Gesagte zu einem Protokoll zusammen und sendet dieses – nach Freigabe durch den Berater – als Kontakteintrag in das CRM der Bank. Allfällige Aufgaben können ebenfalls extrahiert und weiterverarbeitet werden. Es ist sogar möglich, von der KI eine zusammenfassende E-Mail zum Versand an die Gesprächspartner erstellen zu lassen.

Investment-Research

Es ist hier – wie in dem oben genannten Beispiel zu komplexen Kundensituationen – auch möglich, mittels KI eigene Research-Chatbots aufzubauen. Diese basieren auf den Daten des hauseigenen Anlagemanagements und erlauben eine Interaktion auf Basis von natürlicher Sprache. Dies ist vor allem dann von Nutzen, wenn ein Anbieter ein sehr breites Investment-Universum hat. In diesen Fällen erleichtert eine KI-basierte Interaktion die Auswahl passender Anlageprodukte. Dies gilt umso mehr in den Fällen, in denen der entsprechende Chatbot Zugriff auf das Investorenprofil des Kunden hat. Wenn das der Fall ist, können etwaige Restriktionen auf Kundenebene direkt berücksichtigt werden.

Allen drei Beispielen gemein ist die Tatsache, dass KI in eine Art „virtuelle Assistenzfunktion“ für den Kundenberater rückt. Dies entlastet von Routinetätigkeiten wie dem Schreiben von Protokollen oder der Recherche. Eine weitere Gemeinsamkeit der Beispiele liegt darin, dass es sämtliche Anwendungsfälle bereits am Markt gibt. So könnten Anbieter schon heute diese Funktionalitäten in ihrem Geschäft einsetzen.

Zusammenfassend kann man Stand heute konstatieren, dass KI einen wesentlichen Beitrag zur Skalierung der Beratungskapazitäten im Wealth Management liefern kann. Dabei stehen aber weniger „spektakuläre“ Anwendungsfälle wie zum Beispiel die Übernahme der Kundenberatung durch künstliche Intelligenzen im Vordergrund. Es geht heute vor allem darum, die neuen Möglichkeiten der KI-Sprachmodelle zu nutzen, um Kundenberater selektiv zu unterstützen.

Wir begleiten unsere Kunden mit unserer Markt- und Lösungskenntnis sowie unseren Kontakten zu Technologieanbietern bei der Auswahl und Implementierung von KI-Lösungen im Wealth Management. Für ein Sondierungsgespräch stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.