Aufgrund der aktuell wirtschaftlich angespannten Lage überlegen immer mehr Versicherungshäuser, ihre ESG-Aktivitäten runterzufahren oder gar ganz auf Eis zu legen, um Ressourcen einzusparen. Doch diese kurzfristige Entscheidung kann sich schnell nachteilig auf die Marktpositionierung auswirken. Erfahren Sie hier, warum es ein großer Fehler wäre, wenn Assekuranzen ausgerechnet jetzt ihre ESG-Maßnahmen runterfahren würden.

In Zeiten der (drohenden) Rezession gilt es, den Gürtel enger zu schnallen – nicht nur aufseiten der Konsumentinnen und Konsumenten, sondern auch aufseiten der Assekuranzen. Was liegt also näher, als zunächst bei Aktivitäten einzusparen, die momentan nur einen geringen Teil zur Provisionsgenerierung beitragen?

So verwundert es nicht, dass rund ein Drittel der Versicherungsvorstände seine ESG (Environmental, Social and Governance)-Aktivitäten bereits reduziert hat oder pausiert und mehr als die Hälfte plant, die Aktivitäten im kommenden Jahr zu reduzieren beziehungsweise vollständig zu pausieren.

So wichtig kurzfristiges Handeln in Krisenzeiten auch sein mag: Es ist mindestens genauso wichtig, die langfristigen Nachhaltigkeitsziele nicht aus den Augen zu verlieren. Drei Gründe sprechen dafür, die ESG-Aktivitäten nicht ruhen zu lassen, sondern jetzt erst recht am Ball zu bleiben.

1. Grund: Schaffung von Kundenrelevanz

In den letzten Jahren hat die Sensibilität der Verbraucherinnen und Verbraucher für das Thema Nachhaltigkeit stark zugenommen. Neben dem allgemeinen Preis-Leistungs-Verhältnis stellen die jeweiligen ESG-Aktivitäten bei vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern den entscheidenden Faktor für oder gegen einen Versicherer dar. Dementsprechend nennen Versicherer regelmäßig die Erfüllungen der Kundenerwartungen neben den regulatorischen Anforderungen und Shareholder-Aktivitäten als häufigsten Grund für ihre ESG-Aktivitäten.

Trotzdem verfolgen die wenigsten Versicherungen eine stringente ESG-Strategie. Meistens handelt es sich bei den Aktivitäten um losgelöste Einmalaktionen mit starkem Fokus auf Umweltthemen (Environmental). Der soziale Aspekt (Social) und die Idee einer verantwortungsvollen Unternehmensführung (Governance) kommen häufig noch zu kurz. Dabei zeigen internationale Studien, dass Unternehmen, die in allen Aspekten zu überzeugen wissen, eine höhere Innovationskraft und damit verbunden ein stärkeres Wachstum aufweisen als konservative Unternehmen. Gleichzeitig bietet sich die Chance, als First Mover Wettbewerbsvorteile zu generieren und den Wettbewerbern Wachstumschancen zu entziehen.

2. Grund: Erhöhung der Mitarbeiterbindung und -zufriedenheit

Zudem ist ein positiver Effekt auf die Zufriedenheit der eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erkennen – insbesondere vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftemangels ein nicht zu unterschätzender Faktor. Studien zeigen, dass es für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zunehmend wichtig ist, sich mit den Zielen und dem Handeln des Arbeitgebers identifizieren zu können. Je jünger dabei die Mitarbeitenden sind, desto ausgeprägter ist dieses Verlangen.
Was mit der Generation Y bereits begann, ist für die Generation Z mittlerweile selbstverständlich: Wenn die Identifikation mit dem eigenen Unternehmen nicht gelingt, erfolgt kurzfristig der Arbeitgeberwechsel. Eine starke ESG-Aktivität kann somit auch die Mitarbeiterbindung fördern.

3. Grund: Optimierung des Berichtswesens und Umsetzung der SFDR

Der gezielte Einsatz von ESG-Maßnahmen kann ferner dabei helfen, die grundsätzliche Finanzperformance der Versicherungsgesellschaft zu optimieren. Bereits kleinere Schritte zu mehr Nachhaltigkeit – zum Beispiel die Entwicklung zum papierlosen Büro, die Einführung eines internen Recyclingsystems oder die Investition in energieeffiziente Gebäude und IT-Ausstattung – können den ROI (Return on Investment) der Versicherungen signifikant verbessern. Darüber hinaus lässt sich hierdurch der eigene CO₂-Fußabdruck deutlich reduzieren, was zukünftig zur Vermeidung von CO₂-Strafabgaben beitragen kann.

Die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) soll für mehr Transparenz sorgen. Dieser neue Offenlegungsstandard soll schneller sichtbar machen, inwiefern Versicherungen und andere Finanzunternehmen Nachhaltigkeitsfaktoren in ihre Entscheidungsprozesse für Finanzprodukte einbeziehen und welche tatsächlichen Auswirkungen die nachhaltigen Finanzprodukte auf die Umwelt, die sozialen Bedingungen oder die Governance von privaten und öffentlichen Unternehmen haben. Ziel ist es, Produkte, die echte Nachhaltigkeit versprechen und einen nachweislich positiven Einfluss auf Umwelt-, soziale und Governance-Themen haben, mehr ins Rampenlicht zu holen.

Zudem achten Rating-Agenturen zunehmend auf die Nachhaltigkeit von Investments und ziehen hierfür immer häufiger die PSI-Grundsätze (Principles for Responsible Investment) in Betracht, wenn es um die Beurteilung der Kreditrisiken von Versicherungen geht. Insbesondere der Zusammenhang zwischen Wetterrisiken (beispielsweise Waldbränden, Stürmen, Hochwasser, Dürren) und dem Governance-Aspekt – verstanden als die Fähigkeit, Umweltrisiken angemessen in der Geschäftspolitik zu berücksichtigen – rückt dabei in den Fokus der Rating-Agenturen. Dies ist vor allem für Assekuranzen mit starker Fokussierung auf Gebäude- und Sachversicherungen von Bedeutung. Jeder zusätzliche Schritt über die Erfüllung der Mindestanforderung hinaus, macht sich hier finanziell bemerkbar.

Es zeigt sich also, dass die Fortführung der ESG-Aktivitäten ein äußerst probates Mittel ist, in einem zunehmend schwierigeren Marktumfeld zu bestehen, sich von den Wettbewerbern positiv zu differenzieren und sowohl die Kunden- als auch die Mitarbeiterbindung zu stärken.

Die Suche nach einer nachhaltigen Geschäftsstrategie

Doch der Weg zu einer nachhaltigen Geschäftsstrategie ist kompliziert. In der Praxis kristallisieren sich immer wieder drei zentrale Herausforderung heraus:

1. Detailverständnis der ESG-Richtlinien und regulatorischen Anforderungen

Im Rahmen des Green Deals und des Aktionsplans Sustainable Finance stellt die EU erstmals verbindliche rechtliche Rahmenbedingungen für nachhaltiges Handeln auf. Um Greenwashing effektiv zu verhindern und gleichzeitig verbindliche Kriterien festzulegen werden in der EU zukünftig insbesondere vier Richtlinien relevant sein:

  1. die Sustainable Finance Disclosure Regulation – Phase 1 seit März 2021 in Kraft, Level 2 ab Januar 2023 verpflichtend
  2. die „Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor“ (Offenlegungs-VO)
  3. die „Verordnung über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen“ (Taxonomie-VO)
  4. die Insurance Distribution Directive (IDD) – obwohl seit August 2022 verpflichtend, fragen Vermittlerinnen und Vermittler in vier von fünf Fällen noch keine Nachhaltigkeitspräferenzen bei ihren Kundinnen und Kunden ab

Es ist davon auszugehen, dass weitere Richtlinien und Anpassungen bestehender Richtlinien folgen werden. Wenn man bedenkt, dass bereits jetzt ein Viertel aller befragten Versicherungsgesellschaften Probleme bei dem Verständnis und der Umsetzung der regulatorischen Anforderungen haben, ist anzunehmen, dass sich in den kommenden Jahren dieser Anteil erhöhen wird. Hier empfiehlt es sich, auf spezialisierte externe Expertinnen und Experten zurückzugreifen, um eine reibungslose und korrekte Umsetzung aller Anforderungen zu gewährleisten.

2. ESG-Maßnahmen in Einklang mit den Kundenbedürfnissen bringen

Ein bloßes Verständnis der rechtlichen Anforderungen reicht jedoch nicht aus, um bei den eigenen Kundinnen und Kunden zu punkten. Rechtliche Rahmenbedingungen sind eher als Mindestanforderungen zu verstehen, die von allen umzusetzen sind. Will man sich positiv von den Wettbewerbern absetzen, gilt es, eigene ESG-Maßnahmen im Einklang mit den Kundenbedürfnissen zu definieren. Hierfür ist es entscheidend, die Kundenerwartungen im Detail zu kennen und bestehende Best-Practice-Ansätze der Wettbewerber zu verstehen. Nur wenn detaillierte Erkenntnisse zu beiden Punkten vorliegen, kann es gelingen, eigene Lösungen zu entwickeln und sich am Markt positiv hervorzuheben.

3. Entwicklung geeigneter Geschäftsmodelle

Hat man mögliche Ansätze identifiziert, gilt es, die eigenen Ideen zu strukturieren. Nachhaltige Versicherungen zeichnen sich dadurch aus, dass das gesamte Geschäftsmodell auf dem Nachhaltigkeitsgedanken fußt:
Kapitalanlagen werden selbstverständlich nach ESG-Kriterien investiert.
Die Versicherung verfügt über eine Umweltleitlinie und einen umfassenden Nachhaltigkeitsbericht.
Die angebotenen Versicherungsprodukte belohnen Kundinnen und Kunden für ihr Engagement gegenüber Mensch und Umwelt.  
Und der gesamte Geschäftsbetrieb ist zudem nachhaltig und ressourcenschonend organisiert.
Fehlende Transparenz darüber, wie sich einzelne Prozessschritte auf die ESG-Ziele auswirken, stellt Versicherungen dabei immer wieder vor Herausforderungen bei der Wahl geeigneter ESG-Maßnahmen. Nur der Einsatz eines strukturierten und in der Praxis erfolgreich erprobten Vorgehensmodells kann hier für die nötige Transparenz sorgen.

Fazit: ESG als Vorteil nutzen!

ESG-Aktivitäten einstellen, nur um kurzfristig Ressourcen einzusparen? Das kommt nicht in Frage, wenn sich Assekuranzen langfristig auf dem Markt positionieren wollen. Denn für Kundinnen und Kunden werden ESG-Kriterien zunehmend ausschlaggebender bei der Wahl eines Versicherungsproduktes. Sie sind sogar bereit, dafür höhere Beiträge zu zahlen. Außerdem können Unternehmen die Zufriedenheit unter den Mitarbeitenden und die Nachfrage bei jungen Talenten steigern, wenn sie ESG-Ziele verfolgen. Und der Einsatz von ESG-Maßnahmen kann sogar dazu beitragen, dass sich die Finanzperformance der Versicherung unterm Strich verbessert. 

Wer von diesen Vorteilen profitieren möchte, steht vor der Aufgabe, eine nachhaltigere Geschäftsstrategie zu definieren und auf den Weg zu bringen. Dafür müssen vor allem drei To-Do’s bewältigt werden:

  1. Die hohen regulatorischen Vorgaben umsetzen
  2. Die Kundenwünsche in Einklang mit den ESG-Maßnahmen bringen
  3. Ein Geschäftsmodell entwickeln, bei dem möglichst jeder Prozessschritt auf die ESG-Ziele einwirkt

Bei diesen drei Herausforderungen können die Beraterinnen und Berater von Consileon die Versicherungswirtschaft unterstützen. Aus ihrer langjährigen Erfahrung haben sie dafür ein sogenanntes ESG-Target-Operating-Modell entwickelt, das Unternehmen dabei hilft, ein ESG-Zielbild zu definieren, einzelne Prozessschritt nach ESG-Kriterien zu bewerten und zielgerichtete Maßnahmen zu ergreifen. 

Wer jetzt die langfristigen ESG-Ziele nicht zugunsten kurzfristiger Finanzoptimierungen aus den Augen verliert, bringt sich in die Position, sich positiv von den Wettbewerbern abzugrenzen, die eigene Finanzierungsposition mittel- bis langfristig zu optimieren sowie die besten Talente an Bord zu holen und an Bord zu halten. Durch den Einsatz eines strukturierten Vorgehensmodells können dabei Fehlinvestitionen vermieden und ein effizientes Projektvorgehen gewährleistet werden.

Consileon verfügt mit dem ESG-Target-Operating-Modell über ein in der Praxis erprobtes Vorgehensmodell. Gern unterstützen die Expertinnen und Experten von Consileon auch Sie bei der Umsetzung Ihrer ESG-Strategie.