Tragweite

Im Zuge der technischen und funktionalen Konsolidierung des Zahlungsverkehrssystems Target2 (T2) mit der Wertpapier-Abwicklungsplattform Target2-Securities (T2S) führen die Zentralbanken der Eurozone (Eurosystem) über die nächsten Jahre sukzessiv den Nachrichtenstandard ISO 20022 ein. Mit der Anpassung daran fällt den Kreditinstituten eine Mammutaufgabe zu. Einen Kernpunkt bildet dabei die Umstellung der Zahlungsverkehrsnachrichten von SWIFT-Formaten (message types, MT) auf XML. Fernziel ist eine globale Konvergenz der Nachrichtenstandards.

Kreditinstitute sollten diese Reform sehr ernst nehmen. Wer hier die Fristen versäumt, verliert buchstäblich den Anschluss. Nach der Umstellung wird es nicht mehr möglich sein, in den alten Formaten mit Target2 zu kommunizieren, der Draht zur EZB reißt. So schneiden sich säumige Institute nicht nur vom Interbankenclearing und von ihren Mindesteinlagen ab, sondern auch von der günstigen Refinanzierung bei der Zentralbank. Was in der akuten Niedrigzinsphase verkraftbar und vernachlässigbar scheint, wird sich rächen, sobald die EZB den Leitzins anheben sollte. Gerade erst hat die Schwedische Reichsbank ihren Leitzins erhöht.

Ohnehin gehört das Eurosystem beim Wechsel zum Nachrichtenformat XML zu den Nachzüglern. Vorreiter wie die Bank of England, die Fed, die Schweizerische Nationalbank oder die japanische Zentralbank haben den Umstieg teils schon seit Jahren hinter sich.

Umfang und Zeitplan

Neben der Formatumstellung umfasst die T2-T2S-Konvergenz unter anderem folgende Maßnahmen:

  • Einführung eines Echtzeit-Brutto-Clearingsystems zur technischen und funktionalen Konsolidierung der beiden Systeme sowie zur Verbesserung der Dienste
  • Trennung der Zentralbankoperationen von der Echtzeit-Bruttoabwicklung (real-time gross settlement, RTGS) zwischen den Instituten
  • Einführung einer zentralen Liquiditätssteuerung (central liquidity management, CLM)
  • gemeinsame Referenzdaten (common reference data management, CRDM)
  • einheitliche Fakturierung

Die Umstellung des Nachrichtenformats betrifft zunächst den Zahlungsverkehr mit Kunden (MT1xx) und Banken (MT2xx) sowie Cashmanagement und Kundendaten (MT9xx).

Zwar haben Mitspieler wie SWIFT ihre Releases wegen Corona verschoben, die EZB aber hält an ihrem Zeitplan fest. Demnach sind T2 und T2S am 22. November 2021 technisch konsolidiert. Nach dem „Big Bang“ müssen sich die Kreditinstitute an den neuen Standard halten. Eine Übergangszeit, in der alte und neue Formate koexistieren, hat die EZB explizit ausgeschlossen.

Lösungsansätze

Nicht adaptierte Systeme etwa im Zahlungsverkehr können das XML-Format nicht verarbeiten. Jedes Institut sollte darum schnellstens Bestand aufnehmen, seinen Handlungsbedarf bestimmen und eine maßgeschneiderte Lösung finden. Hier sehen wir drei Optionen:

  1. alle beteiligten Systeme und Prozesse auf das neue Format umprogrammieren
  2. Einsatz eines Konverters, der zwischen den Formaten übersetzt
  3. Zahlungsverkehr an externen Partner delegieren

Jede dieser Lösungen hat ihre Vor- und Nachteile. Auch wenn die Optionen 2 und 3 das Tagesgeschäft kurzfristig weniger tangieren, dürfen Kreditinstitute den Aufwand, der mit der T2-T2S-Konsolidierung samt ISO-20022-Umstellung einhergeht, nicht unterschätzen.

Option 1: Anpassung der Systeme

Nachrichten zum Zahlungsverkehr werden in Kreditinstituten in etlichen Systemen weiterverarbeitet, darunter Kontoinformations- systeme, E-Banking, technische Archive und die Liquiditätssteuerung. Diese Altsysteme operieren unter anderem noch mit SWIFT-Nachrichten. Nicht nur im regulären Zahlungsverkehr, sondern auch in der Handelsfinanzierung und im Wertpapiergeschäft fallen eilige grenzüberschreitende Transfers an. Zudem ist die Interoperabilität mit Software zur Geldwäscheprävention (AML) sowie mit Embargoprüfsystemen zu gewährleisten.

Option 2: Konverter

Beim Einsatz eines Konverters arbeiten die Altsysteme weiter wie bisher. Das Programm wandelt eingehende Nachrichten in das alte Format um. Nach der Verarbeitung formatiert er den Output in XML. Bei diesem Verfahren sind drei Fälle zu unterscheiden:

  1. Die Auswahl der Datenfelder der eingehenden Nachricht weicht vom internen Layout ab
  2. Eingehende Nachrichten enthalten Felder, die es intern noch nicht gibt
  3. Felder der eingehenden Nachricht enthalten mehr Zeichen, als das interne Pendant aufnimmt

Damit in keinem der drei Fälle Informationen verloren gehen, sind die Datenfelder der eingehenden Nachrichten vorab auf das interne Modell abzubilden. Überlange oder neue Inhalte werden auf mehrere Felder des internen Modells verteilt. Wenn nötig sind neue Felder anzulegen. Für neue Informationen, die sich nicht in das interne Datenmodell integrieren lassen, ist eine alternative Weiterverarbeitung oder zumindest die Archivierung zu programmieren. Besonderer Beachtung bedürfen Outputs, die an Kunden gehen, zum Beispiel Kontoauszüge, oder anderen Instituten zugeleitet werden.

Weil die Datenmodelle und -prozesse von Institut zu Institut variieren, gibt es zum Einsatz eines Konverters kein Patentrezept. Deshalb müssen die Fachverantwortlichen des Instituts die drei Anwendungsfälle im Vorfeld gemeinsam mit den Entwicklern analysieren, regeln und im Projektverlauf immer wieder testen

Option 3: Outsourcing

Wer den Zahlungsverkehr outsourcen möchte, muss zunächst entscheiden, welche Arbeitsschritte der externe Partner übernehmen soll. Dabei stellen sich ähnliche technische Fragen wie beim Konvertereinsatz. Auch die Outsourcing-Lösung muss jeder erdenklichen Störung des Informationsflusses vorbeugen. In Absprache mit dem Dienstleister ist zu klären, wie die eingehenden Daten in die Verarbeitungssysteme gelangen und wie der Output versendet wird.

Einen Knackpunkt bildet die Fremdbearbeitung solcher Aufträge, bei denen das Institut zwischen mehreren Beteiligten vermittelt. Führen Mängel der Outsourcing-Lösung dazu, dass Informationen auf dem Weg verloren gehen, so werden womöglich Dritte geschädigt.

Auch beim Outsourcing hängt vieles von den Gegebenheiten beim Auftraggeber ab. Deshalb existiert eine Musterlösung hier ebenso wenig wie bei den Optionen 1 und 2.

Unser Rat

Da auf lange Sicht an ISO 20022 kein Weg vorbeiführt, empfehlen wir die Anpassung aller Systeme zum Stichtag. Das neue Nachrichtenformat avanciert zum Weltstandard. Wer Wert darauf legt, den Dateneingang und -ausgang zum Zahlungsverkehr auch in Zukunft möglichst schnell und fehlerfrei zu verarbeiten, tut gut daran, auf XML-Nachrichten umzurüsten. Drängt die Zeit, so hilft kurzfristig ein Konverter, handlungsfähig zu bleiben. Vor allem beim Ausarbeiten der Anforderungen an diese Lösung gewinnen Kreditinstitute wertvolle Erkenntnisse über ihre IT-Architektur, auf die sie bei einer späteren nativen Systemanpassung zurückgreifen können.

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